- Saskatchewan - alle fahren durch
Diese Stimme. Zutiefst empört poltert sie durch den Äther. Sollen unsere Indianer etwa steuerfrei bleiben, dröhnt sie, und hat sogleich die Antwort parat. Natürlich nicht, schließlich sind das Menschen wie du und ich. John Gormley - der Kanal CJAM wirbt mit dem Spruch “Sie müssen ihn nicht mögen” für seinen Quotenbringer - macht Talk Radio. Jene Gattung Radio, die südlich der Grenze Tag für Tag in den offenen Wunden der schweigenden Mehrheit pult.
Entdeckungstour in Kanadas Mitte: In den Weiten Saskatchewans, wo die Kühe am schönsten sind, verlieren sich die Touristen und wird Radio wieder lehrreich.
Hier im Süden von Saskatchewan, wo auch die Kanadier Cowboyhüte tragen und Howdy sagen, ist das nicht anders. Bloß nicht, empört sich eine Hörerin. Ihre Vorfahren seien vor drei Generationen hier angekommen. Hart arbeitende “sodbusters” seien das gewesen, mit ihren bloßen Händen hätte sie die Prärie umgegraben, die ersten Winter über hätten sie sich in Erdlöchern vor den Blizzards verkriechen müssen. Und jetzt?, fragt Gormley lauernd.
Well, klagt die Lady, immer wenn man bauen wolle, legten einem irgendwelche Indianer Steine in den Weg, weil da angeblich heilige Begräbnisstätten seien. Gormley seufzt verständnisvoll und schaltet den nächsten Hörer zu. Der aber - hat der Producer nicht gründlich genug gesiebt? - beschimpft Gormley so lange als Volksverhetzer, bis der trocken mutmaßt, der Herr komme wohl aus Ontario. No Sir, kontert der Anrufer, er stamme aus Maple Creek, Saskatchewan. Wo die Kühe am schönsten seien.
Auf Roadtrips durch Nordamerika ist das Autoradio ein Segen. In Gegenden wie Saskatchewan ist es auch noch lehrreich, beantwortet es doch grundlegende Fragen wie: Wer zum Teufel lebt hier bloß? Die Provinz in der Mitte Kanadas ist das touristische Stiefkind des Riesenlandes und vor allem groß, flach und leer. Alle fahren nur durch oder fliegen drüber hinweg.
So unaufgeregt scheint die von endlos weiten Weizen- und Roggenfeldern bedeckte Prärieprovinz, dass selbst Kanadier empfehlen, nachts hier durchzufahren, weil man dann mehr sähe. Keine Million Menschen auf 650 000 Quadratkilometern: Zwangsläufig ergibt das die meisten Highwaykilometer pro Kopf der Bevölkerung in Nordamerika. Reisende auf der Suche nach Biberdämmen und Grizzly-Bären törnt die Aussicht auf Autofahren bis zum Horizont eher ab. Für Jäger unbekannter Destinationen hingegen ist es die Formel für stressfreies Entdecken, und zwar an Bord amerikanischer Mietkarossen, Kaffeehalter und lustvoll verstellbarem Fahrersitz inklusive.
Text: Ole Helmhausen, Montréal