- Warum sich alle Welt bewegt
Seine journalistischen Vorbilder sind der britische Reiseschriftsteller Bruce Chatwin mit seinen Gedanken über den Zusammenhang von physischer und geistiger Mobilität und Douglas Adams (»Per Anhalter durch die Galaxis«) mit seinem feinsinnigen Humor. Der schweizer Journalist Erwin Koch inspirierte ihn mit seiner stilistischen Experimentierfreude. Michael Gleich wurde vielfach ausgezeichnet für seine journalistischen Arbeiten - und sein Engagement für Kultur, Umwelt und Frieden.
Michael Gleich - Reporter auf der Suche nach Lösungen
Du bist mal Journalist, mal Moderator - aber auch Vernetzer und Gründer der Stiftungen Peace Counts, Nature Counts und Culture Counts. Was haben diese Tätigkeiten gemeinsam?
Michael Gleich: Ich suchte Antworten darauf, »warum sich alle Welt bewegt«. Als Freier Journalist habe ich die Möglichkeit, immer wieder neue Themen anzugehen, die mich auf unbekanntes Terrain führen. Das ist wie ein lebenslanges Studium.
Was hat dich bewogen, gerade diesen Beruf zu ergreifen?
Michael Gleich: Mein Vater hat diese Neugier auf die Ferne, auf das Unbekannte in mir geweckt. Als ich später Reporter für »natur« und GEO wurde, erschien mir das wie ein Geschenk: Ich werde dafür bezahlt, Erfahrungen machen zu dürfen, die meinen Horizont erweitern. Kein Wunder, dass ich mein erstes Buch über das Thema Mobilität geschrieben habe.
Warum setzt du dich gerade mit Themen in Konfliktgebieten auseinander?
Michael Gleich: Ich habe mich nie damit zufrieden gegeben, Missstände aufzuzeigen. Mich interessieren Menschen, die sich auf den beschwerlichen Weg machen, um Lösungen für Probleme zu finden. Sei es für Gewaltkonflikte, Umweltzerstörung oder für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen. Das sind die Themen der drei Multimediaprojekte Peace Counts, Nature Counts und Culture Counts.
Gute Gründe für Zuversicht
Ich nenne die Haltung, mit der unser Netzwerk vorgeht, »konstruktiven Journalismus«. Wir recherchieren unabhängig und konzentrieren uns darauf, Lösungen, Modelle und Vorbilder vorzustellen. Ich tue das, weil ich wie vermutlich alle Menschen gerne ein paar gute Gründe für Zuversicht habe.
Welche Eigenschaften helfen dir dabei besonders?
Michael Gleich: Ich habe auf keinem Gebiet eine Spitzenbegabung, aber eine große Breite an Fähigkeiten: recherchieren, organisieren, vortragen, moderieren, visuell gestalten - auch da spüre ich meine Freude an Vielfalt. Mein Talent, Dinge zu strukturieren, hilft mir sehr dabei, unsere Counts-Projekte zu managen. Dazu gehören auch Dinge wie Anträge schreiben oder Budgets zu verwalten, die, sagen wir mal, eine sehr eigene Art von Kreativität erfordern.
Was waren deine nachhaltigsten Begegnungen auf deinen Reisen?
Michael Gleich: Das ist schwer zu beantworten. Vielleicht der Abt von Jerusalem, der Palästinenser und Israelis zusammenbringt, ein kraftvoller Mann mit großem Herzen. Oder die beiden ehemaligen Terroristen in Nordirland, beide schwere Jungs, die irgendwann eingesehen haben, dass ihr Kriegertum sie immer wieder in die Sackgasse bringt. Oder Imam Ashafa und Pastor James, die ich gerade im Norden Nigerias besucht habe. Sie haben nicht nur feindlichen Lagern angehört, sondern als christlicher und als muslimischer Milizionär auch persönlich gegeneinander gekämpft. Und dann hatten sie den Mut, ihren Hass loszulassen, sich behutsam anzunähern und heute sogar gemeinsam für den Frieden zwischen den beiden Lagern zu arbeiten. Solche Menschen sind wie lebende Kraftfelder, die mich aufladen und inspirieren.
In welche Fettnäpfchen bist du getreten, weil du die kulturellen Begebenheiten unterschätzt oder missverstanden hast?
Michael Gleich: Alles was wir sehr vereinfachend als »Korruption« bezeichnen, finde ich schwierig zu verstehen. Korruption zersetzt demokratische Strukturen, sicher, aber ich war zu oft zu schnell mit einer Verurteilung zur Hand. In vielen Ländern gehören gegenseitige Gefälligkeiten – die auch wir kennen, sonst gäbe es den Begriff Vetternwirtschaft nicht – einfach zur Kultur. Manchmal stand ich mit beiden Beinen im Fettnapf, weil ich besonders moralisch sein wollte, manchmal, weil ich mich besser standhaft geweigert hätte.
Wieviel Kontakt hast du tatsächlich zu deinen Lesern?
Michael Gleich: Das ist ein wenig paradox: Als wir eine 15-seitige Reportage über Peace Counts im »stern« hatten – immerhin mit rund einer Million Auflage – haben wir daraufhin keinen einzigen Leserbrief bekommen. Und dann lädt mich, sagen wir: Pax Christi in Augsburg zu einem Vortrag ein, und auf einen Schlag habe ich anregende Diskussionen mit 40 Lesern.
Persönlicher Kontakt zum Leser gewünscht
Mein Eindruck ist, dass die Wirkung von Veröffentlichungen in Massenpublikationen überschätzt und die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht unterschätzt wird. Persönlich jedenfalls finde ich letztere viel wichtiger, um ein Feedback zu bekommen. Von vielen Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass sie es unbefriedigend finden, gleichsam in ein schwarzes Loch hinein zu publizieren.
Du hast zahlreiche Journalistenpreise bekommen, wurdest für das »Wissenschaftsbuch des Jahres« ausgezeichnet und schließlich zum Ashoka Fellow auf Lebenszeit ernannt. Wie wichtig sind dir solche Ehrungen?
Michael Gleich: Ich war lange regelrecht süchtig nach solchen Lobpreisungen und bin in der Vergangenheit auch ziemlich damit verwöhnt worden. Und selbstverständlich freue ich mich auch heute noch über Wertschätzung jeder Art. Die nehme ich auch wahr, wenn jemand unsere Bücher kauft oder unsere Veranstaltungen besucht. Und es ist wunderschön, dass viele Friedensstifter, über die wir in den vergangenen sieben Jahren berichtet haben, durch uns bekannt wurden und deshalb von Stiftungen und Regierungen unterstützt werden.
In diesem Sinn ist mir wichtiger als wem meine Arbeit gefallen könnte, mich selbst anzuerkennen, mir selbst Wert zu geben und meiner inneren Stimme zu folgen, wenn es darum geht, etwas in die Welt zu bringen. Das ist eine heikle Balance, schließlich möchte ich von meiner publizistischer Arbeit ja auch leben.