SympathieMagazin
Großbritannien verstehen
Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung hat mit »Großbritannien verstehen« ein neues SympathieMagazin herausgegeben. Ein bisschen anders waren sie ja immer, die Britinnen und Briten: Auto fährt man auf der linken Seite, gemessen wird in »miles«, »inches« und »gallons«, getrunken wird lauwarmes Bier und jeder entschuldigt sich für alles mit einem lockeren »sorry«.
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Als manchmal etwas seltsam, aber stets höflich und humorvoll haben wir die »Inselbewohner« längst in unser Herz geschlossen. Doch aktuell schauen viele schwer besorgt auf das Vereinigte Königreich. Der »Brexit« bewegt die Gemüter. Dass die momentane gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Zerrissenheit des Landes nicht erst durch die Brexit-Entscheidung entstanden ist, wird in diesem SympathieMagazin des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung kritisch beleuchtet.
Das Königreich zwischen Tradition und »Brexit«
Großbritannien ist traditionell von seiner Insellage geprägt. Beispielsweise haben britische Leidenschaften seit jeher mit der See zu tun. Ob als Schwimmer am Pier von Brighton im ältesten Schwimmclub Englands oder als »birder« auf der Suche nach seltenen Zugvögeln auf dem Weg über den Atlantik. Selbst Londoner sind noch »in touch« mit ozeanischer Energie, da die leicht salzhaltige Themse einen Tidenhub von gut fünf Metern erfährt. Wobei London fast eine Insel für sich zu sein scheint. Auf jeden Fall ist die Weltstadt schon allein eine Reise wert. Und auch Schottland ist eine »Insel« für sich, was sich in den jüngsten Unabhängigkeitsforderungen wieder deutlich äußert.
Das Magazin spürt die europäische Sonderrolle Großbritanniens in seiner Insellage auf. Der atlantische Wassergraben trennt von einem Kontinent, den die Insulaner immer schon reflexhaft mit Argwohn betrachtet haben. Mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft 1973 suchte das Königreich den Schulterschluss schließlich doch. Dass dies vorrangig aus wirtschaftlichen Gründen geschah, offenbart bereits den Unterschied zur Motivation der anderen Europäer, denen zuerst der Friedensgedanke einer Union am Herzen lag. Großbritannien hat nun den Austritt aus der Union in Gang gesetzt. Um den Briten dennoch empathisch zu begegnen, bedarf es zugleich eines Makro-Blicks auf akute Details, als auch eines Zooms in die Historie, um Gründe für britische Eigenheiten zu entdecken. Das SympathieMagazin eröffnet dabei beide Perspektiven, die von britischen sowie deutschen Autorinnen und Autoren.
Manchmal ist ein Betrachter auch für den Spagat zwischen beiden Blickwinkeln prädestiniert, wie etwa der ehemalige Direktor der Londoner V & A Kunstgalerie, der kürzlich verstorbene Dr. Martin Roth, Magazinbotschafter von »Großbritannien verstehen«. Er ließ sich trotz seiner bitteren Enttäuschung über den Brexit die Liebe zum Land nicht nehmen. Und spricht damit manchem Britannien-Versteher aus der Seele.
Das Magazin findet die Ursachen für die aktuelle Zerrissenheit des Landes in jahrzehntelang betriebener neoliberaler Politik, welche die durch alte Klassen-Hierarchien geschaffenen sozialen Gräben zementierte und vertiefte. Die Autoren sehen die Spuren dafür in Bereichen wie dem Schul- und Wahlsystem oder der Erkrankung des eigentlich vorbildlichen National Health Service (NHS). Allerdings erkennt der Redakteur des Magazins auch Anzeichen, dass gerade die jungen Briten dem EU-Gedanken nicht abschwören wollen und mit ihrem Wahlverhalten die Politikerkaste zum radikalen Umdenken in der Sozialpolitik zwingen. Es bleibt also spannend in Großbritannien. Ein Grund mehr, es auch weiterhin zu besuchen und dabei Britinnen und Briten persönlich kennenzulernen.
Text: Martin Müller