- Cayman Islands: Bei den »Sisters«
Little Cayman und Cayman Brac nennt man auch gerne die Sister Islands. Sie haben in der Tat einiges gemeinsam, doch richtige Zwillingsschwestern sind es nicht. Beide Inseln sind abgeschiedene Taucherparadiese; zusammen haben sie mehr als 100 Tauchgründe. Beide sind total verschlafen, eine ganz andere Welt als das geschäftige Grand Cayman, beide ideal für Leute, die sich reif für die Insel fühlen.
Dabei ist Cayman Brac landschaftlich vielfältiger, hat Dutzende von geheimnisvollen Höhlen und einen internationalen Flughafen. Auf der Insel leben ungefähr 2000 Leute, etwa zehnmal so viele wie auf Little Cayman. Dementsprechend sind die Autos auch nicht ganz so selten. Dafür gibt es nur noch wenige der auf Cayman Brac heimischen Felsleguane. Das hängt durchaus miteinander zusammen. Denn die größten Feinde des seltenen Leguans sind neben Hunden und Katzen die Menschen mit ihrer die Natur einnehmenden Lebensart. Die Vögel haben sich auf Cayman Brac mit etwa 200 Arten gut gehalten.
... setzt sich mit Kalksteinformationen flach zum Inselinneren fort.
Die Insel ist knapp 20 Kilometer lang. An ihrer breitesten Stelle sind es nicht einmal drei Kilometer von der einen zur anderen Seite. Doch diese drei Kilometer im Osten der Insel haben es in sich: dort liegt The Bluff – eine nahezu 50 Meter hohe Steilküste erhebt sich fast senkrecht aus dem Meer. Sie besteht aus Kalkstein und setzt sich zum Landesinneren hin waagerecht fort.
Von oben sieht das Ganze aus wie eine hochgelegte Scheibe. Dutzende von Höhlen durchlöchern den Kalkstein wie einen Schweizer Käse; etliche sind von Fledermäusen bewohnt. Viele der geheimnisvollen Höhlen können besichtigt werden. Für Besucher/innen von Cayman Brac gehört daher eine Taschenlampe zur Grundausstattung.
Wohl wegen der Höhlen wird immer wieder behauptet, Cayman Brac sei die Vorlage für das berühmte (Kinder-) Buch »Die Schatzinsel« gewesen. Im wahren Leben soll sich der legendäre Pirat Blackbeard gerne auf Cayman Brac aufgehalten haben. Auf jeden Fall hat die kleine Insel ideale Voraussetzungen für Piraten und verborgene Schätze.
Den Einheimischen haben die Höhlen von jeher als Unterschlupf und Schutz bei Wirbelstürmen geholfen. Nur bei dem großen Hurricane im Jahre 1932 waren Hopfen und Malz verloren. Obwohl die Menschen auf das höher gelegene »Bluff« und in die Höhlen geflohen sind, hat es um die hundert Todesopfer gegeben.
Offizielle Hauptstadt ist das an der Nordküste gelegene Nest Stake Bay. Verwaltung und Museum sind noch heute dort. Doch der für das Inselchen fast schon außerirdisch große Flughafen liegt bei West End. Deshalb ist dort auch ein bisschen mehr los. Insgesamt gibt es über die Insel verteilt etwa zehn Gaststätten und zehn Kirchen. Außerdem zwei größere Hotel-Resorts, die eine oder andere Apartment-Anlage und ein paar einfache Hotel-Pensionen.
Und wo kommt der eigenartige Name der Insel her? Brac ist das gälische Wort für Klippe, und zu den ersten Siedlern von Cayman Brac gehörten einige Schotten.
Highlights
Im Jahr 1996 kaufte die Regierung der Cayman Islands der kubanischen Marine ein ausgedientes, russisches Kriegsschiff ab und versenkte es in der Nähe des Flughafens vor der Nordküste von Cayman Brac. Der berühmte Meeresforscher Jean-Michel Cousteau hat es sich nicht nehmen lassen, dabei zu sein, als das Schiff zu seiner letzten Ruhestätte in die Fluten sank.
Der Zerstörer mit der Nummer 356 wurde nach einem lokalen Geschäftsmann und Politiker in M./V. Captain Keith Tibbetts umbenannt und kann seitdem auch keinen Schaden mehr anrichten. Er bringt nur noch Freude.
Das 100 Meter lange Wrack mit den bedrohlichen Kanonen ist einer der spektakulärsten und gespenstigsten Tauchgründe in der ganzen Karibik. Über die Jahre hat sich das Wrack längst in ein künstliches Riff verwandelt – eine faszinierende Heimstätte für Korallen und Fische. Tropenstürme haben dafür gesorgt, dass die Fregatte in zwei Teile zerbrochen ist. Dadurch ist das Wrack eher noch attraktiver geworden. Denn erfahrene Taucher/innen können seitdem sogar das Innere des Schiffes erkunden.
Die M./V. Captain Keith Tibbetts ist sehr leicht zugänglich. Sie liegt nur etwa 200 Meter vom Ufer entfernt in einer Tiefe von etwa 15 bis 20 Metern. So können selbst geübte Schnorchler einen Blick von oben auf das friedlich gewordene Kriegsschiff werfen. Beim Cayman Brac Community Park hinter dem Flughafen stehen Schilder, die auf den Zugang zu dem Tauchziel hinweisen.
Statuen des Künstlers Foot.
Foots Installationen zum Weißes Haus.
Die Insel hat ein logistisches Highlight für alle, die mal eben per Tagesausflug von Grand Cayman kommen: Zwar gibt es nur drei Taxis auf Cayman Brac; doch fast immer, wenn eine Maschine am Flughafen ankommt, steht eine Taxe vor der Empfangshalle und wartet auf die Gäste. Die Taxifahrer bieten kundige Inselrundfahrten zu sehr angenehmen Preisen an: 25 US$ für zwei Stunden, knapp 40 US$ für vier Stunden. Wer möchte, kann auch eine noch längere Tour buchen. Falls einmal kein Taxi am Flughafen stehen sollte, einfach jemanden fragen; man kennt sich ja auf der Insel.
Cayman Brac ist ideal, um noch einmal jenes prickelnde Schatzinsel Feeling zu erleben, das einige aus ihrer Jugendzeit erinnern. Im Riff des Bluff verbergen sich reihenweise Höhlen. Manche sind gut ausgeschildert, manche kennen die örtlichen Taxifahrer und Reiseleiter, manche tauchen im Internet auf. Es gibt sogar noch weitgehend unbekannte Höhlen zu entdecken.
Hier eine Auswahl von Höhlen, die ich besucht habe: Bei Stake Bay liegt direkt am Straßenrand die Totenkopf Höhle (Skull Cave). Warum sie so heißt, hat sich mir nicht ganz erschlossen. In der Höhle gibt es zwar schöne Felsformationen, aber keine Totenköpfe; auch ihre Form erinnert nicht an einen Schädel. Dafür ist sie von Fledermäusen bewohnt, die gerne in großen Löchern hängen, die sich in der Decke der Kaverne auftun. Wenn man die Fledermäuse mit seiner Taschenlampe beim Schlafen stört, kann es passieren, dass sie einem um die Ohren flattern. Die Fledermäuse sind übrigens die einzigen Säugetiere, die auf den Cayman Islands heimisch sind – alle anderen sind von den Menschen eingeschleppt worden.
Eine Fledermaus-Höhle (Bat Cave) gibt es auch; sie liegt an der South Side Road West, etwa drei Kilometer außerhalb von West End. Dort werden Sie indes keine Fledermäuse zu Gesicht bekommen. Es gibt sie, doch sie haben sich tief ins Innere der Höhle zurückgezogen.
Von Peter's Cave oberhalb von Spot Bay hat man einen schönen Blick aus der Höhle heraus auf den Ort. Sie können sowohl von Spot Bay als auch oben vom Riff in die Höhle gelangen.
Die Große Höhle (Great Cave) am Ende der South Side Road East hat mich am meisten beeindruckt. Ihre Öffnungen in der Steilküste erinnern an ein mysteriöses Gesicht, das gebannt aufs Meer hinaus starrt — die Zwischenwelt lässt grüßen.
Weitere bekannte Höhlen sind Nani Cave im Landesinneren, nicht weit von den Christopher Columbus Gardens, und ein Rebecca's Cave bei West End, benannt nach der tragischen Geschichte eines Mädchens, das in der Höhle Schutz vor einem Hurricane suchte, und dann doch sterben musste.
Die dramatisch aus dem Meer ragende Steilküste des Bluffs macht Cayman Brac zu einer idealen Kletter-Destination. An einigen Stellen schweben geübte Klettermaxen direkt über der wütend an die Felswand schlagenden Brandung. Das Adrenalin steigt – und die Sicherungsseile sollten halten.
Cayman Brac ist die Kaiman-Insel, auf der man am besten wandern kann. Bringen Sie stabile Schuhe mit; denn der Kalkstein, aus dem das ganze Riff im Osten der Insel besteht, ist an einigen Stellen scharf wie ein zerklüftetes Messer.
Die Papageien Reserve (Parrot Reserve) im Süden des zentralen Riffs (Central Bluff) hat einen interessanten Wanderweg, auf dem man einen schönen Einblick in die Vogelwelt und in die seltsame Inselvegetation bekommt, einschließlich der Silberpalmen und über drei Meter hohen Kakteen. Hier leben auch noch etwa 350 der knallbunten, total hübschen Cayman-Papageien; es gibt nur leider überhaupt keine Garantie, die sympathischen Kerle auf dem etwa 45 Minuten langen Rundweg zu Gesicht zu bekommen. Zum Trost: In der Voliere der Turtle Farm auf Grand Cayman gibt es die Fotomodell-Papageien auch.
Kolumbus hat die Cayman Islands nie betreten, er ist lediglich an den beiden Sister Islands Cayman Brac und Little Cayman vorbeigesegelt. Auch seine Bezeichnung der Inselgruppe »Las Tortugas« hat sich nicht durchgesetzt. Dennoch hat man ihm zu Ehren an der Ashton Reid Road, einer Nord-Süd-Verbindung etwa in der Mitte der Insel ein Gedenkstätte errichtet, die Christopher Columbus Gardens. Dort gibt es ein Denkmal des Seefahrers und eine Ehrenwand mit den Namen von 500 Bürgern und Bürgerinnen, die sich um die Sista' Islands verdient gemacht haben. Außerdem wird ein kleiner Felsleguan gefüttert, damit er den Besucher/innen zum Anschauen bereit steht. Alles nicht aufregend, aber irgendwie nett.
Küstenimpressionen.
The Skull Cave.
Am östlichen Ende der Insel steht ein kleiner, nicht besonders spektakulärer Leuchtturm. Doch die Aussicht von dort ist umwerfend. Der Blick weitet sich über die senkrechte Steilküste hinweg in die Unendlichkeit von Himmel und Meer. Nach links führt ein schmaler Wanderweg an der Abbruchkante entlang durch eine fast unwirkliche, flache Landschaft. Zwischen dem scharfkantigen, fast weißen Kalkstein behaupten sich immergrüne Seetrauben-Gewächse und einzelne Silberpalmen.
Die windgepeitschten, etwas zotteligen Silberpalmen sind im Vergleich zu einer Kokospalme recht kleinwüchsig. Dennoch haben sie es aufgrund ihrer außerordentlichen Widerstandsfähigkeit geschafft, zum nationalen Baum der Cayman Islands zu avancieren. Die Seetrauben haben es noch etwas schwerer. Je nach Jahreszeit sitzen ganze Heerscharen von bunten, bösartigen Raupen in den Gewächsen. Die rücksichtslosen Kerle schaffen es, einen Seetraubenstrauch innerhalb von ein paar Tagen völlig kahl zu fressen. Viel sympathischer als die Raupen sind die stattlichen Weißbauchtölpel. Wenn sie nicht gerade zum Fischen über dem Meer unterwegs sind, sitzen sie gerne am Wegesrand auf dem Riff und ruhen sich von der Jagd aus. Es sind sehr schöne, total fotogene Vögel, die den Menschen nah an sich heran lassen.
Von Spot Bay aus kann man sich der spektakulären Steilküste auch von unten aus nähern. Am Ende der Straße hat man den klassischen Cayman Brac-Postkartenblick auf die Spitze der Insel mit dem vorgelagerten Felsen.
In Stake Bay hat man aus dem alten Regierungsgebäude das Cayman Brac Museum gemacht. Es ist das älteste Museum der Cayman Islands, so ein richtiges Heimatmuseum mit Fotos, Texten und alten Klamotten, Möbeln, Werkzeugen und Oma-Radios. Vieles ist dem großen Hurricane aus dem Jahre 1932 gewidmet, der Cayman Brac ganz besonders hart getroffen und etwa hundert Todesopfer gefordert hat.
Wegen dieser traumatischen Erfahrung ist ein drohender Wirbelsturm noch heute auf Cayman Brac allgegenwärtig, als Gesprächsthema und ganz konkret in Form von mehreren Hurricane-Zentren oben auf dem Bluff, in denen man bei Gefahr Zuflucht suchen kann. Die wohlhabenderen Familien haben ein Zweithaus, ebenfalls oben auf dem Riff.
Die besten Hotels der Insel stehen an der Südküste etwas westlich von West End: Das CaymanBrac Beach Resort ist eine Mittelklasse-Anlage direkt an einem Palmen-Strand. Sie verfügt über Restaurant, Pool, Hängematten, Tauch- und Schnorchel-Möglichkeiten, Flughafen-Transfer, Fahrräder, Kajaks und Tennisplatz (Doppelzimmer ca. 220 US$ — außerdem Wochenpakete mit Halb- oder Vollpension und Tauchen inklusive ab 1400 US$). Ganz in der Nähe gibt es Aussichtspunkte für Vogelbeobachter und einen schönen Blick auf die Schwesterinsel Little Cayman. Auch gut und noch etwas charmanter: nebenan das Carib Sands Beach Resort mit ganz ähnlichen Leistungen und Preisen.
Reihenweise Höhlen auf Cayman Brac.
Ei-genartiges Wohnhaus.
Kuriositäten
Wenn Sie von Stake Bay auf der Küstenstraße nach Osten fahren, stehen plötzlich mannshohe Statuen rechts in den Büschen. Sie erinnern an altägyptische Sarkophage; doch ihre Mienen sind merkwürdig lebendig. Es sind Abdrücke von Gesichtern wirklich existierende Menschen. Der auf der Insel lebende Althippie Foots hat sie erschaffen. Doch nicht nur das. Foots baut an dieser Stelle vor der Küste unter Wasser die geheimnisvolle, irgendwann untergegangene Stadt Atlantis nach.
Der Künstler hat Säulen, Podeste und eine Sonnenscheibe versenkt. Bevölkert wird das knapp 25 Meter unter der Wasseroberfläche liegende Atlantis von seinen seltsamen Figuren. Nur er weiß, warum sie echte Gesichter tragen. So ist ein surrealer Tauchplatz entstanden, der seines gleichen sucht. Atlantis ist indes nicht so groß, wie der Name der mythischen Stadt vermuten lassen könnte.
Das Haus des Künstlers, weitere Sarkophag-Figuren und seltsame Installationen stehen auf der gegenüberliegenden Seite der Insel am südöstlichen Küstenabschnitt. Zwei ausrangierte Kriegsraketen zielen – wie Foots versichert – genau auf das Weiße Haus in Washington. Der steinige Strand mit der sich dahinter aufragenden, senkrechten Felswand gefällt übrigens nicht nur dem Künstler. Hier halten sich auch die Tölpel gerne auf.
Ein Stück weiter hat sich jemand ein Haus an den Strand gesetzt, das aussieht wie ein Ei. Das sieht drollig aus, und wenn mal wieder ein Hurricane kommt, ist so eine windschnittige Form sicher auch nicht ganz falsch. Ideen muss man haben.
Das einstmals ansprechende und sehr großzügige Divi Tiara Beach Resort beim Flughafen an der Südküste wurde im Jahr 2006 geschlossen. 2008 ging auch noch Hurricane Paloma über das gestorbene Hotel und gab den vor sich hin rottenden Gebäuden den Rest. Wer die schüchternen Betreten-Verboten-Schilder missachtet, kann das untergegangene Hotel besichtigen und in dem morbiden Ensemble herumstreunen.
Mal schauen, ob das in der Nähe stehende Hotel Alexander in die Fußstapfen des Tiara Resort tritt. Es wurde 2014 geschlossen und auch einfach in der Landschaft stehen gelassen; die tropische Vegetation ist schon fleißig dabei, sich des Gebäudes zu bemächtigen.
Bilder und Text: Daniel A. Kempken; Redaktion: Peter Kensok
Daniel A. Kempken wurde 1955 in Mönchengladbach geboren. Er hat die Juristerei studiert und danach als Rechtsanwalt und Notar gearbeitet. Davor und zwischendurch war er Fließbandarbeiter, Trödler, ehrenamtlicher Sozialarbeiter und Reiseleiter. Seit 1989 ist er in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Seine Reisen führten ihn in diverse Länder vor allem in Lateinamerika. Gelebt hat er in Deutschland, Spanien, Sambia und Ecuador. 2012 reiste er beruflich für mehrere Jahre nach Honduras. Eine Besprechung seines Buchs »Schlaglichter Cayman Inlands«, aus dem der Autor Globalscout diese Leseprobe zur Verfügung gestellt hat, gibt es hier.