- Berlin - »Hauptstadt der DDR«
Es war einmal eine große Stadt, die hieß Berlin. Weil die Fürsten dieser Welt es so wollten, wurde sie 40 lange Jahre durch eine hohe Mauer in zwei Hälften geteilt. Als die Mauer endlich abgerissen wurde, waren die Menschen so an sie gewöhnt, dass die Mauer noch viele Jahre in ihren Köpfen stehen blieb. Man nannte diejenigen, die auf der einen Seite der Mauer gelebt hatten, Wessis, und diejenigen, die im Osten des Grenzwalls gelebt hatten, die nannte man Ossis ...
In den 40 Jahren der Mauer war der östliche Teil Berlins - die Wessis nannten es Ostberlin - die Hauptstadt der DDR. Die meisten Wessis fanden die Deutsche Demokratische Republik gar nicht demokratisch, und so bezeichnen viele das lange Zeit eingemauerte Land auch heute noch als Unrechtsstaat.
Der eine »strecht« so, der andere so. Dazwischen liegt der Mauerfall.
Erlöserkiche - einst gsprengt, jetzt Anlass für Erinnerungen und Gedenken.
So manche Ossis - vor allem diejenigen, die unter der Mauer und/oder der Staatssicherheit der DDR gelitten hatten, sehen das genauso. Andere Ossis fanden es gar nicht so schlecht dort, irgendwie gemütlicher. Sie loben das untergegangene Land aber nur sehr sparsam, denn dies wäre heute politisch überhaupt nicht korrekt, es könnte sogar dem Ruf oder der Karriere schaden. So werden wir wohl noch einige Jahrzehnte brauchen, um klar zu kriegen, ob der Arbeiter- und Bauernstaat nun eine schlimme Diktatur der Kleinbürger war oder ein soziales Paradies - oder beides? Und wenn sie nicht untergegangen wäre, dann gäbe es die DDR noch heute.
Als schließlich zusammenwuchs, was zusammen gehörte, waren die Helden des Arbeiter- und Bauernstaates nicht mehr in; was vor kurzem noch als schön empfunden wurde, galt nun als hässlich. Und los ging es mit dem antisozialistischen Bildersturm. Die bekanntesten Opfer sind der Palast der Republik und die stattliche Leninfigur, deren frühere Privatanschrift nun ganz neutral Platz der Vereinten Nationen heißt. Immerhin wurde dem armen Lenindenkmal mit der Persiflage »Good bye, Lenin« ein Denkmal in Zelluloid gesetzt. Am Ende des Films baumelt die riesige Statue an einem Hubschrauber und schwebt über die erstaunte Stadt.
Real existiert der Sozialismus nicht mehr wirklich
Viel schöner hätte man den Untergang des real nun nicht mehr existierenden Sozialismus kaum darstellen können. Im wirklichen Leben ist er einfach weg, der Lenin, irgendwo in einem Vorort von Berlin vergraben. Also gehen wir auf die Suche nach anderen Relikten, Reliquien und Mahnmalen, die man noch entdecken kann:
Monströs und irgendwie verdammt cool bewacht das Denkmal des Arbeiterführers Ernst Thälmann eine nach ihm benannte Plattenbausiedlung in Prenzlauer Berg, wo die Greifswalder Straß die Danziger Straße kreuzt. »Teddy« hat den Bildersturm der Nachwendezeit - dem Vernehmen nach - nur deshalb überlebt, weil in der kapitalistischen Marktwirtschaft so viel gerechnet wird: Es wäre einfach zu teuer gewesen, nach dem schweren Lenin nun auch noch den dicken Thälmann zu entsorgen. Der monströse Kopf bringt locker ein paar Dutzend Tonnen auf die Waage. Schwein gehabt, Teddy - und gut gehalten hast dich auch!
Stehen geblieben sind auch das Denkmal der deutsch polnischen Freundschaft und die Skulptur der Spanienkämpfer, beide im Volkspark Friedrichshain und beide voll sozialistischer Monumentalkraft. An der Grenze von Mitte zu Wedding, die früher mal befestigt war - durch die Mauer halt - steht heute auf der Bernauer Straße 111 die Mauergedenkstätte. Es ist eine Stelle, die traurige Berühmtheit erlangt hat. An der Bernauer Straße haben sich im Jahre 1961 die Leute verzweifelt aus dem Fenster gestürzt, um in den Westsektor zu gelangen. Die Bilder gingen um die Welt. Später wurden diese Häuser abgerissen und noch später sprengte das rote Regime die im Grenzstreifen gelandete Erlöserkirche in einer spektakulären Aktion in die Luft. Heute ist alles dies und noch viel mehr spannend und anschaulich mit diversen Videos, Fotografien, Tonaufnahmen und einem beachtlich gut sortierten »Mauer-Bookshop« dokumentiert. Man hat sogar einen Teil der alten Grenzanlage wieder aufgebaut. Geheimtipp für Leute, die aufs Geld schauen: Der Eintritt in dieses Qualitätsmuseum ist frei - die Preise der feilgebotenen Bücher sind allerdings gesalzen.
Immer wieder haben es mutige und clevere Leute verstanden, das »beste Grenzsicherungssystem der Welt« (O-Ton DDR) zu überlisten - trotz Todesstreifen und bewaffneten Grenzern, unbeeindruckt von Hunden mit guter Nase und scharfem Biss. Das Mauermuseum am ehemaligen Checkpoint Charlie (Friedrichstraße Ecke Zimmerstraße) zeigt Hunderte von seltsamen Gegenständen, mit welchen die Flucht aus der DDR gelungen ist: Autos mit ungeahnten Hohlräumen, Sessellifte, auch ein selbst gebasteltes Fluggerät mit Trabbimotor. Dazu Hunderte von Fotos, die grausame Zeitgeschichte dokumentieren. Ein nicht alltägliches Museum, skurril und tragisch zugleich; über Jahrzehnte von Rainer Hildebrandt zusammengestellt, der die DDR überhaupt nicht leiden konnte.
Von dem einstmals schwer befestigten und geschichtsträchtigen Checkpoint Charlie - hier standen sich amerikanische und sowjetische Panzer gegenüber und hätten fast den 3. Weltkrieg begonnen - sind nur ein niedliches Zollhäuschen mitten auf der belebten Friedrichstraße und die Bilder von zwei Grenzsoldaten in voller Uniform übrig geblieben. Reisebusse stehen Schlange, derweil ihre Insassen aus aller Welt um Andenkenbuden und Lädchen mit einer Jahresproduktion an DDR- und Mauerdevotionalien herumwuseln.
Ziemlich grenzwertig - die Mauer.
Erich Mielkes Schreibtisch.
Zwischen Fernsehturm und Spree, da stand Karl Marx, zu erkennen am Wuschelkopf, und neben ihm Friedrich Engels, beide mit Rauschebart und in ewiglicher Bronze der Verwesung entgangen. Inzwischen werden sie »umgetopft«. Lange guckten sie zum Fernsehturm, und das ist auch gut so. So brauchten sie wenigstens nicht mit anzusehen, dass der Palast der Republik abgerissen wurde. Viele Ostdeutsche waren stolz auf das protzige Teil mit seinen tausend Lüstern, diversen Bühnen, 13 Restaurants und günstigen Preisen.
Für das Volk war der Palast viel spannender als für die Volkskammer. Die tagte nämlich nur von Zeit zu Zeit hier. In ihrer letzten Sitzung fasste die Volkskammer in »Erichs Lampenladen« den Beitrittsbeschluss. Gregor Gysi kommentierte lakonisch: »Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als das Ende der DDR«. Dummerweise haben die Abgeordneten vergessen, in dem Beschluss festzulegen, dass der Ort der historischen Entscheidung nicht abgerissen werden darf - und so machte das vereinigte Deutschland mit dem armen Palast der Republik dasselbe, was die DDR seinerzeit mit dem Stadtschloss gemacht hatte.
Das DDR-Museum auf der Karl-Liebknecht-Str. 1 bietet »Geschichte zum Anfassen«, es gibt einen anschaulichen Einblick in die Alltagswelt des implodierten Landes. Ein spießiges Wohnzimmer mit Textiltapete und einem klobigen Röhrenfernseher, in dem noch immer die Aktuelle Kamera läuft; ein Trabbi zum Reinsetzen und realsozialistisches Allerlei auf Zelluloid gebannt: gemütliche Plattenbauten, die volkseigene Arbeitswelt und Durchhalteparolen vom greisen Honecker. Nur leider ist die postmoderne Erlebniswelt des »Mitmach- Museums« ein bisschen klein und eng geraten, so dass der Eintrittspreis dann doch an der Schmerzgrenze des Preis- Leistungs-Verhältnisses liegt.
Wer mehr an den finsteren Seiten der ersten und einzigen sozialistischen Republik auf deutschem Boden interessiert ist, der geht in das Stasi-Museum auf der Normannenstraße/ Ruschestraße 103 in Lichtenberg. Grau und hässlich steht sie noch heute da, die ehemalige Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein trauriges Ensemble gewöhnlicher Plattenbauten - das Böse protzte nicht, doch es sammelte Leninbüsten, die Sie heute dort besichtigen können. Die Räume sind an piefiger Tristesse kaum zu überbieten; selbst Mielkes Schreibtisch könnte von IKEA sein, nur ein bisschen größer, damit seine klobige Telefonanlage mit den vielen altmodischen Knöpfen auch darauf passt.
Hinter dem Schreibtisch thront ein fetter Tresor für die wichtigsten Überwachungsstaats-Geheimnisse, vielleicht sogar des Ministers Altersdemenzdiagnose, sofern die linientreuen SED-Ärzte sich getraut hatten, eine solche zu stellen. Beängstigend und wie aus einem schlechten Agentenfilm ist die Ausstellung der Observationstechnik; da verbergen sich Kameras in Kleintransportern, in Gießkannen, Baumstämmen und Mülleimern, ja sogar - übrigens made in BRD - in einer Armbanduhr. Bizarr, fast unwirklich ist die reichhaltige Sammlung an Revolutionskitsch, Parolenpostern und DDR-Devotionalien. Eine Dokumentation des DDR-Wahlkampfes 1990 wirft ein spannendes Schlaglicht auf die Zeitenwende.
Otto Grotewohl - seit dem Gründungaufruf für die SPD 1945 wird er selbst markiert.
Ernst Thalmann schaut auf - fast wie ein US-Präsident auf dem Mount Rushmore.
Sehr bedrückend ist die Gedenkstätte Hohenschönhausen (Genslerstraße 66). Es ist das ehemalige Stasigefängnis, in dem die Gegner des Systems festgehalten und gequält wurden. Ehemalige Häftlinge sind heute Fremdenführer und berichten den Besucher/innen von der unmenschlichen Folter, der sie in diesen Räumen des Schreckens ausgesetzt waren.
Trotz allem noch Bock auf DDR-Alltagsambiente? Wo sich in Friedrichshain Grünberger-, Wedekind-, Gubener- und Lasdehner Straße treffen, stehen reihenweise graue Mietskasernen, die vor langer Zeit vergessen haben, dass es Farbe gibt. Auf den Straßen platzt der Asphalt auf, aber dafür weht auf dem Dach eine Fahne. Jetzt müsste man nur noch ein paar Trabanten hinstellen, und die Fahne müsste rot sein; dann wäre die Kulisse für einen DDR-Film komplett.
Gleich hinter dem Eingang des Zentralfriedhofs Friedrichsfelde (vom S- und U-Bahnhof Lichtenberg über die Gudrunstraße hinunter gehen) »mahnen uns die Toten« - so sagt es ein gar nicht mal so überdimensionierter Grabstein. Die Toten sind Ernst Thälmann, Karl Liebknecht, Walter Ulbricht und viele Rot-Promis mehr, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, bevor der Sozialismus selbst starb. Die Grabsteine der nicht ganz so Illustren halten sich an ein bescheidenes Einheitsdesign; dabei stehen sie stramm in Reih und Glied, so als ob sie auch unter der Erde noch für den Klassenkampf marschierten.
Ziemlich incognito hat sich zwischen all diese uniformierten Gräber der langjährige Spionagechef der DDR Markus Wolf betten lassen (Pergolenweg); »Mischa« kann's wohl nicht lassen und horcht nun als IM Schattenmann die Toten aus. Unruhig wird es auf dem »Sozialistenfriedhof« heutzutage nur noch einmal pro Jahr, jeweils zum 15. Januar, dem Todestag von Rosa Luxemburg. Dann demonstrieren die Linken und ganz Linken der Nation im Gedenken an die DDR und bessere Zeiten. Oft finden sich auch die Rechten ein, und dann kann es richtig Ärger geben. In der DDR gab es mehr Gastronomie als landläufig kolportiert wird; werfen Sie mal einen Blick in das Buch von Manfred Otto, »Sie wünschen bitte? Gaststätten in Berlin«, 1988 erschienen, aber übers Internet antiquarisch noch gut zu bekommen. Einige der Wirtshäuser haben sich wacker über die Zeitenwende gerettet; hier ein paar Beispiele, die bis heute ein bisschen Ostflair konserviert haben:
Kitsch as Kitsch can - Nach heutigem Geschmack bestenfalls nostalgisch.
Die Grenze - jahrzehntelang trennte sie zwischen "frei" (Ost) und frei (West).
Die »Restauration 1900« ist das einzige Lokal am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg, das die Wiedervereinigung überlebt hat. Freilich hat es sich gewandelt und glänzt heute fast schon mondän mit weißen Tischdecken. Doch an den Wänden hängt eine dufte Fotodokumentation; sie zeigt die romantische Husemannstraße mit ihren alten Bäumen, 1989 grau und verpennt im Trabbiland, 2001 bunt und leicht verbastelt vom mittelmäßigen Geschmack des Klassenfeinds.
Das »Metzer Eck« an der Ecke Metzer Straße und Straßburger Straße hat nicht nur die DDR überlebt; es ist die älteste Kneipe in ganz Prenzlauer Berg, und seit Eröffnung im Jahre 1903 im Besitz derselben Familie geblieben. Die nikotingelben Wände über den klassischen Kneipen-Eckbänken hängen voll mit Jubiläumscollagen, Urkunden und Fotografien von prominenten Gästen; sozusagen die gesamte Lebensgeschichte der Kneipe. Es gibt deftige Gerichte: Hering, Currywurst, Bulette, Setzeier oder Soljanka, die schon zu DDR-Zeiten so beliebte russische Gulaschsuppe mit Sahnehäubchen und einer Scheibe Zitrone.
Genauso ein Wirtshaus vom alten Schlag ist der »Schusterjunge« an der Ecke Danziger Straße und Lychener Straße, auch in Prenzlauer Berg. Hier schmücken noch Butzenscheiben und Laternchen den Gastraum; sie passen zu einer kräftigen Hausmannskost mit deftiger Schweinshaxe und reichlich Sättigungsbeilagen.
Freundliche Bierseligkeit und - wenn der Koch Lust hat - auch Essen wie bei Muttern gibt es im Pali Eck, Palisadenstraße Ecke Koppenstraße in Friedrichshain. Neben dem Hausmeister des Französischen Doms verkehren hier dem Vernehmen nach auch Hans Modrow und Oskar Fischer, der letzte Außenminister der DDR.
Andere Lokale sind konvertierte Nachwendekinder, die auf DDR machen. Zum Beispiel die »Tagung«, besonders geeignet für Alkoholabstürze und nächtliche Tagungen, in denen man trefflich die Geschichte des Sozialismus aufarbeiten kann. Denn die heimelige Trödelkneipe hat heftigen Suff-Appeal und eine museumsreife Sammlung von Büsten und Bildern fast aller linken Stars von Marx über Lenin bis Honni (Wühlischstraße 29 in Friedrichshain).
Im Vorwende-Laden auf der Thaerstr.16 am Bersarinplatz in Friedrichshain gibt es heute noch zu kaufen, was es in der DDR so alles gab: Bücher, Vasen, Krempel, Kunst und Porzellan in realsozialistischer Schönheit, Hansa Kekse, Halloren Kugeln, Filinchen, Pfeffi, Knusperflocken und Rondo Kaffee. Auch im Angebot Original-Geschirr aus dem Palast der Republik - so lange der Vorrat reicht. Das überhaupt nicht kapitalistische Deutschland lebt in einem vollgestopften Ladenlokal, bewacht von einem freundlichen, älteren Herrn mit Rauschebart, der sich verdammt gut in der alten Zeit auskennt. Das Ganze ist origineller Ostalgieladen und Panoptikum der Zeitgeschichte zugleich.
DDR-Jägerschnitzel - panierte Jagdwurst mit Nudeln und Tomatensoße
Die »Ossería« in Weißensee (Langhansstr. 103), Restaurant und Kneipe mit behaglichem Ostalgie-Effekt, sozusagen die kulinarische Variante von Good bye, Lenin. Hier lebt die deftige Hausmannskost aus dem untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaat. Es gibt Würzfleisch, Kapernklopse oder das echte DDR-Jägerschnitzel, das in Wirklichkeit eine panierte Jagdwurst mit Nudeln und Tomatensoße ist. Fürs Auge und die realsozialistischen Herzen präsentiert sich an den Wänden, auf Tischen und Vitrinen eine herrlich kuriose Sammlung echter DDR-Reliquien. Von den guten alten Praktica-Kameras über Piefkes romantische Amica-LPs bis zur Gebrauchsanweisung vom Trabbi und volkseigenen Ernst Thälmann Denkmal Bierdeckeln ist eigentlich alles vorhanden, was östlich der Mauer vielleicht doch nicht so schlecht war.
Nichts für Wessi-Hardliner: das »Ostel« am Ostbahnhof bietet in einer Originalplatte mit Presspan-Mobiliar und DDR-Reliquien den sachlichen Komfort, der den Fremdenverkehr hinter dem Eisernen Vorhang so unverwechselbar machte. Aus dem Röhrenfernseher der Rezeption verkündet Erich Honecker den unaufhaltsamen Siegeszug des Sozialismus. Das Frühstück gibt es nebenan im Ossihof, und die Preise sind fast noch so erschwinglich wie zu Ostmarkzeiten. Im Kreise ehemaliger DDR-Bürgerrechtler/innen hat sich bereits Protest gegen dieses seltsame Hotel geregt; der Hotelbesitzer wundert sich: »Wir sind doch total unpolitisch. Das ist alles nur Spaß.«
Der Ampelmann repräsentiert die untergegangene DDR
Der Ampelmann ist einer der wenigen Repräsentanten der untergegangenen DDR, der auch heute noch höchstes Ansehen genießt. Dynamisch ausschreitend und mit Hut bereichert er den faden Regelbetrieb der Ostberliner Lichtzeichenanlagen. Fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung taucht der Ampelossi auch immer häufiger im ehemaligen Westteil der Stadt auf - so wächst ampelmäßig zusammen, was zusammen gehört. Ganz nebenher ist der Ampelmann längst zum Kultobjekt geworden. Kaufen Sie sich doch einen; vielleicht den Flaschenöffner-Ampelmann oder den, den man als Nachttischlampe verwenden kann. Läden mit Ampelman-Souvenirs gibt es in den Hackeschen Höfen und in den Arkaden am Potsdamer Platz.
Der Plattenbau, in dem die Berliner Zeitung über Berlin schreibt (Alexanderplatz, schräg gegenüber vom stattlichen Hotel Park Inn) hat einen eckigen Vorbau. Das ist heute das Steakhaus Escados; und wer genau hinschaut, findet an der Fassade wenige, aber ziemlich deplaziert wirkende Zweckform-Buchstaben, die aus der DDR übrig geblieben sind: Pressecafé. Der Denkmalschutz will, dass sie dort bleiben und dezent an vergangene Zeiten erinnern.
In alten Stadtplänen aus dem Osten ist Westberlin nichts als ein großer, weißer Fleck - es ging die Leute ja nichts an, was es hinter dem antiimperialistischen Schutzwall so alles gab. In alten Stadtplänen aus dem Westen war Ostberlin meist ganz blass und die Straßen waren ohne Namen eingezeichnet - es war ja nicht so wichtig, was es hinter der schändlichen Mauer so alles gab. Und da sie nicht gestorben ist, heißt die Stadt auch heute noch Berlin; und wer immer noch von Ostberlin und Westberlin redet, der ist politisch nicht korrekt.
Bilder und Text: Daniel A. Kempken; Redaktion: Peter Kensok
Daniel A. Kempken lebt in Berlin und hat seine wichtigsten Beobachtungen zu seiner Stadt in seinem Buch »Schlaglichter Berlin« mit zahlreichen Reisetipps zusammengefasst. Sein Beitrag ist ein Kapitel aus seinem Buch, das Globalscout gerne hier wiedergibt. Eine Besprechung seines Berlin-Buchs gibt es hier.