- Kanarische Inseln: Eine zeitlose Nachlese
Andauernd ist man dort, jedenfalls wenn man als Deutscher zu den 10 Millionen Touristen zählt, die auf den Kanaren ihr zweites Wohnzimmer haben. Und doch bekommen sie rund um ihren Urlaub dann doch nicht alles mit, was sie auf den Inseln des Ewigen Frühlings faszinieren könnte. Schade eigentlich. Und ein guter Anlass für eine zeitlose Nachlese zum Urlaub auf Globalscout, wie sie Daniel Kempken im 14. Kapitel seines Buches »Schlaglichter Kanarische Inseln« zusammengetragen hat.
Im Jahre 1927 litt die britische Kriminalkönigin Agatha Christi unter Liebeskummer; und plötzlich war sie wie vom Erdboden verschwunden. Manch einer vermutete, dass sie selbst Opfer einer ihrer Mordgeschichten geworden war. Doch zehn Tage tauchte Agatha Christie wieder auf, ohne irgendetwas zur Aufklärung der Vorkommnisse beizutragen. Sie überließ ihren eigenen Fall Miss Marple und machte Urlaub, erst eine Woche auf Teneriffa und dann auf Gran Canaria. Im Gran Hotel Taoro und im Orchideengarten von Puerto la Cruz fand sie Ruhe und Inspiration. Hier erweckte sie ihren Seltsamen Mr. Quin zu seinem literarischen Leben.
Piratenbucht bei Candelaria - Captain Sparrow hätten seinen Spaß daran. Faktisch war die Höhlenbucht angenehm wetterfest.
Hatucuperche ist kein »Häschenwitz« aus den 80ern, sondern eine Legende von den den Kanarischen Inseln.
Es gibt aber nur Kurzkrimis der Queen of Crime, die auf den Kanaren spielen: »Der Mann im Meer«, erschienen 1930 in dem Sammelband »Der seltsame Mr. Quin«, eine Geschichte, die in Puerto de la Cruz auf Teneriffa spielt. Und »Die Gesellschafterin«, erschienen 1932 in der Krimireihe »Der Dienstagabend-Klub«. Die Episode handelt von zwei Damen, die nach las Palmas auf Gran Canaria fahren; doch nur eine von Ihnen kehrt zurück. Sehr viel über Gran Canaria erfährt man in der Geschichteallerdings nicht.
Tonnenweise krumme Sachen - Europas Bananenrepublik
Alles Banane? Auf einigen Kanarischen Inseln sah es eine Zeitlang so aus. Nach dem Kolonialhandel, nach Wein, Zuckerrohr und dem Karminroten Farbstoff von Cochenille-Schildläusen avancierte die Banane im 19. Jahrhundert zum Haupt-Exportschlager von Teneriffa, Gran Canaria und La Palma. Doch die krumme Frucht tut sich zunehmend schwer, nicht so sehr mit einem von der EU vorgeschriebenen Krümmungsgrad. Bananenstauden brauchen Unmengen von Wasser, welches auf den Inseln eh knapp und knapper wird. Außerdem werden die Agrarsubventionen der EU und Einfuhrzölle für die Konkurrenz-Bananen aus Lateinamerika heruntergefahren. Das ist hart. Denn in La Palme hat die gelbe Frucht bis zu 80 Prozent aller Einkünfte erwirtschaftet. Mit knapp 120.000 Tonnen pro Jahr gehört sie noch heute zu den größten Wirtschaftsfaktoren der Insel und kann nicht so leicht durch Hotels ersetzt werden wie in den Tourismus-Epizentren von Teneriffa oder Gran Canaria. La Gomera und El Hierro haben geringere Umstellungsprobleme, da ihre Landwirtschaft nicht ganz so Bananen-lastig war, und auf Fuerteventura und Lanzarote hat es nie genug Wasser für die durchaus sehenswerten »Bananenmeere« der Kanarischen Inseln gegeben.
Bisweilen wird beklagt, dass Teile der Kanaren sich nach und nach entvölkern, ähnlich wie unsere fünf neuen Bundesländer. Richtig daran ist, dass es im 19. und 20. Jahrhundert aufgrund wirtschaftlicher Not mehrere Auswanderungswellen in Richtung Lateinamerika gab. Richtig ist auch, dass in einigen abgelegenen Dörfern von La Gomera und La Palma trotz mittlerweile fantastischer Infrastruktur nur noch ein paar alte Leute leben. Unterm Strich indes hat die Bevölkerung der Inseln stetig zugenommen. Allein zwischen 1960 und 2010 hat sie sich mehr als verdoppelt, von knapp 1 Million auf 2,1 Millionen. Und so ähnlich wird es weiter gehen; für das Jahr 2020 sind 2,5 Millionen Einwohner prognostiziert. Bis dahin wird wohl auch La Gomera, die einzige Insel, die in den letzten Jahren Einwohner/innen verloren hat, wieder zulegen. Die Zuwanderer kommen aus der EU, aus Lateinamerika, aber auch aus anderen Ländern. Mit etwa 280 Einwohnern pro Quadratkilometer ist die Bevölkerungsdichte bereits höher als in Deutschland (230 Einwohner). Ganz schön voll, zumal große Teile der Inseln unter Naturschutz stehen. Zu den Bewohnern gesellen sich jährlich noch etwa 10 Millionen Touristen. Jeder Einheimische hat also - mal rein rechnerisch gesehen - pro Jahr fünf Urlauber zu Gast. Die tragischen Flüchtlingsströme aus afrikanischen Ländern sind in den letzten Jahren durch bessere Kontrollen und mehr Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern merklich zurückgegangen.
Jeder zehnte Nichtspanier unter den Einwohnern Mann aus Alemania
Deutsche gibt es auf den Kanarischen Inseln eine ganze Menge, etwa zehn Prozent aller nicht spanischen Einwohner. Ungefähr 30.000 von uns sind auf den Inseln gemeldet; damit liegen wir knapp vor den Engländern und deutlich vor den »Kolonien« aus Italien. Venezuela, Kolumbien, Uruguay und Kuba. Besonders beliebte Sammelplätze unserer Landsleute sind Puerto de Santiago auf Teneriffa, die Südküste Gran Canarias, Los Llanos und Umgebung auf La Palma, Teguise auf Lanzarote und natürlich das Valle Gran Rey auf La Gomera - deshalb nennt die Satire-Zeitschrift »Der Valle-Bote« den schönen Ort auch »Deutsch Südwest«.
Sie sehen aus wie Dinosaurierfutter aus einem Fantasy-Film: Wenn sich Nebelschwaden über die Drachenbäume legen, bekommen sie etwas Gespenstisches - doch wer hat heutzutage schon noch Angst vor Gespenstern? So werden die urzeitlich anmutenden Gewächse mehr und mehr zu Wahrzeichen der Inseln Teneriffa, Gran Canaria und La Palm. Viele von Ihnen sind wirklich sehr alt. Der Drachenbaum-Veteran in Icod de los Vinos auf Teneriffa soll tausend Jahre auf dem Buckel haben; auf jeden Fall ist er mit stattlichen 17 Metern der höchste seiner Zunft. Das Prachtexemplar in Gáldar auf Gran Canaria heißt zwar auch Drago Milenario, ist aber in Wirklichkeit keine tausend, sondern »nur« etwa dreihundert Jahre alt. In Buraca und in La Tosca auf La Palma stehen ganze Haine von Drachenbäumen und geben der Landschaft einen mystischen Schleier. An diesen Orten versteht man sofort, dass die seltsamen Gewächse Hauptdarsteller zahlreicher Legenden sind. Die Ureinwohner der Inseln glaubten an magische Kräfte, die dem Drago und seinem blutroten Harz inne wohnen. Das Drachenblut soll heilsame Wirkung haben und zuverlässig bei Tuberkulose, bei Verdauungsstörungen und auch bei Zahnausfall helfen. Ein richtiger Baum ist der Drachenbaum indes nicht; man zahlt ihn zu den Spargelgewachsen. Und wer sich vor diesen gigantischen, schonvor der letzten Eiszeit existierenden Spargeln fürchten will, lese den beklemmenden Psychothriller "Das Drachenbaum-Amulett" von Volker Himmelseher.
Guanchen und Vulkane. Beide explodierten hin und wieder
Inseln aus Feuer geboren - die Kanarischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs. Die ältesten der Inseln sind Fuerteventura und Lanzarote. Sie haben etwa 20 Millionen Jahre auf dem Buckel - das klingt viel, ist für Inseln aber eigentlich kein Alter. Der größte Ausbruch der jüngeren Zeit ereignete sich in den Jahren 1730 bis 1736 auf Lanzarote. Er bescherte uns die einzigartige Mondlandschaft der Feuerberge von Timanfaya. Bereits damals gab es einen Sensationsreporter. Der mutige Pfarrer von Yaiza führte ein akribisches Tagebuch, in dem er die todbringenden Ereignisse für sich, für die Kirche und die Nachwelt haarklein dokumentierte. Der vorerst letzte Vulkanausbruch fand im Jahre 1971 auf La Palma statt; der Teneguia verschaffte sich Erleichterung, ließ die Menschen dabei aber weitgehend in Ruhe. Im Jahre 2006 rumorte es bedrohlich im Inneren des gewaltigen Teide-Massivs auf Teneriffa. Nicht nur die Tourismusindustrie geriet in leichte Panik. Dies nahm Guayote, der finstere Geist, der im Inneren des Vulkanes haust, mit einem hämischen Grinsen zur Kenntnis - und beruhigte sich wieder.
Die Ureinwohner der Kanarischen Inseln, das waren die Guanchen, genau genommen viele verschiedene Guanchenstämme, die oft miteinander zerstritten waren. Ein Umstand, den die Spanier sich zunutze machten, als sie die Kanaren im 15. Jahrhundert eroberten und im Laufe der Geschichte auch nicht mehr hergegeben haben. Kontakt zwischen den einzelnen Inseln gab es in der alten Zeit kaum; denn die Guanchen waren keine Seefahrer. Bis zum heutigen Tag können Historiker nicht zweifelsfrei klären, woher die Guanchen ursprünglich kamen, bevor sie sich auf den Kanaren niederließen. Nach einer sehr häufig vertretenen These handelte es sich um Berberstämme aus Nordafrika. Den alten Aufzeichnungen zufolge hatten einige von ihnen blaue Augen. Lange Zeit quasi in Vergessenheit geraten, werden die alten Guanchen heutzutage allenthalben verehrt und mit diversen Denkmälern im Nachhinein unsterblich gemacht. Gerne werden sie als edle, friedliche und erhabene Menschen geschildert.
In den 80ern strandeten in der Piratenbucht die Hippies, deren Flowerpower nur für den relativen Kurztripp reichte.
Die meisten Kanarenbesucher kommen an die Athletik der Kanarischen Ureinwohner nicht heran. Ewig Frühling dauert halt länger als einmal pauschal und zurück.
Die historische Wirklichkeit sagt uns indes, dass die Guanchen in der Zivilisationswelt der Jungsteinzeit lebten, also so ähnlich wie Fred Feuerstein und die Seinen es gemacht haben. Ihr Zuhause war die Höhle. Vor allem auf Gran Canaria (in Artenara und in Guayadeque) und auf La Palma (in Buracas bei Las beim, in Puerto de Puntagorda und in Paris de Candelaria) gibt es bis heute Wohnhöhlen, die tatsächlich noch genutzt werden. Teilweise haben sie einen Komfort, von dem Feuerstein nur träumen konnte. Manche von ihnen kann man kaum mehr als Höhle erkennen; hat man ihnen doch eine schicke Fassade verpasst, die einem Gebäude gleicht. Einige werden als Ferienhöhle mit Ureinwohner-Romantik genutzt. In Guayadeque auf Gran Canaria gibt es sogar zwei zünftige Höhlenrestaurants. Die Gomera-Guanchen lebten übrigens auf einer älteren Entwicklungsstufe als andere Guanchenstämme und erfreuten sich dabei der Freikörperkultur. Eine Tradition, die im 20. Jahrhundert von den Hippies in der »Schweinebucht« des Valle Gran Rey auf La Gomera wieder aufgegriffen wurde. So schließen sich die Kreise der Menschheitsgeschichte, sollte man meinen - oder auch nicht; denn die Welt ist ja im Vergleich zur Steinzeit viel prüder geworden. Und so kam es, dass die nackten Blumenkinder bei den Einheimischen auf großes Unverständnis stießen.
Humboldt empfiehlt die Inseln als Mittel gegen Schwermut
Man schrieb das Jahr 1799. Das deutsche Universalgenie Alexander von Humboldt war auf dem Weg nach Südamerika und machte - wie seinerzeit üblich - auf den Kanarischen Inseln Halt. Er blieb ganze sechs Tage auf Teneriffa, nicht länger als ein eiliger Pauschaltourist. Doch sein Ausflugsprogramm war enorm. Er bezwang den 3718 Meter hohen Teide, obwohl es seinerzeit weder eine Autostraße noch die Seilbahn gab. Auf seinem Trip entdeckte und katalogisierte er bis dato unbeachtete Pflanzen, die in der extremen Höhe prächtig gedeihen, wie zum Beispiel das Teide-Veilchen. Humboldt's Domizil in Puerto de la Cruz war das heutige Hotel Marquesa. Seinerzeit war es noch kein Hotel; es war das gastfreundliche Haus der kanarischen Familie Cólogan und hatte auch damals schon seinen herrlichen Innenhof. Im Orchideengarten der Stadt bewunderte der Forscher den riesigen Drachenbaum. Als er auf dem Weg von Santa Ursula nach Orotava vom heutigen Mirador Humboldt ins Tal blickte, hielt er in seinen Aufzeichnungen fest, noch "nirgends ein so mannigfaltiges, so anziehendes, durch die Verteilung von Grün und Felsmassen so harmonisches Gemälde" vor sich gehabt zu haben. Die Insel ging ihm ans Herz: "Kein Ort der Welt scheint mir geeigneter, die Schwermut zu bannen und einem schmerzlich ergriffenen Gemüte den Frieden wiederzugeben, als Teneriffa." Ganz kurz ging Humboldt auch an der Playa de las Conchas auf der winzigen Insel La Graciosa an Land, jedoch keineswegs, um ein Sonnenbad zu nehmen; er entnahm Bodenproben für seine Sammlung.
Mit diesem Spargel kämen wir eine Weile aus. Dem Drachenbaum sieht man seine Gattung nicht mehr an.
Typisch kanarisch: Bananen, so weit das Auge reicht. Also bis zur Biegung und dann noch ein bisschen weiter.
Ein anderer historischer Superstar der Kanarischen Inseln ist Christoph Kolumbus. Es gibt ein Kolumbus-Haus in San Sebastian auf La Gomera und noch ein Kolumbus-Haus in Las Palmas auf Gran Canaria. In Santa Cruz auf La Palma steht die originalgetreue Replik eines seiner Schiffe, der berühmten Santa Maria, mit der er 1492 zum ersten Mal nach Amerika gereist ist. Dabei ist der Mann mit dem Eier-Trick nie auf La Palma gewesen, und in Las Palmas hat er nur einmal kurz angehalten. La Gomera war indes bei allen drei Arnerika-Reisen sein Stützpunkt; hier hat Kolumbus seine Schiffe mit Proviant und Wasser beladen lassen. Weil dies historisch verbürgt ist, wird La Gomera auch gern La Colombina genannt.
Wo fünf Sterne nicht reichen, locken zumindest romantische Legenden.
Es gab sie schon immer und es gibt immer noch sehr enge Verbindungen zwischen den Kanarischen Inseln und Lateinamerika. Die Inseln waren der Brückenkopf Spaniens für die Eroberung und Beherrschung der Neuen Welt. Die meisten spanischen Schiffe machten auf ihrem Weg nach Amerika in Santa Cruz de la Palma halt. Im 19. und im 20. Jahrhundert sind viele Kanarier nach Venezuela, nach Cuba, aber auch in andere lateinamerikanische Länder ausgewandert. So wird Venezuela bisweilen »La Octava Isla«, die achte Insel genannt. Die Bewohner der uruguayischen Provinz Canelones nennt man Canarios. Auch sprachlich gibt es viele Gemeinsamkeiten und Einflüsse. So heißen die Busse auf den kanarischen Inseln Guaguas, ein Wort aus der Quichua-Sprache der Anden. Das Spanische wird auf den Inseln ganz anders ausgesprochen als auf dem Festland, sehr ähnlich wie in vielen lateinamerikanischen Ländern. Überhaupt hat man ein sehr distanziertes Verhältnis zu allem, was von der iberischen Halbinsel kommt. Spanier vorn »Mutterland« werden gerne etwas verächtlich »Godos«, die Goten genannt.
Die Kanarischen Inseln sind voll von Legenden. Mit der aktuellen Renaissance der alten Guanchen werden viele von ihnen wieder aus der Versenkung hervor geholt. Kostprobe gefällig? Gerne, hier die im wahrsten Sinne des Wortes herzdurchbohrende Sage von der Guanchenprinzessin Gara aus La Gomera und ihrer unglücklichen Liebe zu Jonay, einem schicken, aber mittellosen Jungsteinzeitler aus Teneriffa. Garas standesbewusste Eltern hielten nichts von der Ehe mit einem Ausländer, schon gar nicht mit einem, der nichts weiter als ein armer Landwirt war. Sie verboten die Ehe, doch die Liebe war stärker. Gara und Jonay trafen sich immer wieder. Schließlich flohen sie auf den unzugänglichen Gipfel des höchsten Berges von La Gomera; doch selbst hier wurden sie von den Moralwächtern aufgespürt. Die verzweifelten Verliebten nahmen eine auf beiden Seiten zugespitzte Lanze und durchbohrten ihre Herzen in einer letzten innigen Umarmung. Und weil das alles so schön und so traurig ist, sind die Namen der Geliebten zu einem einzigen zusammen gewachsen, Garajonay, der Name, den heute voller Stolz der Nationalpark und der höchste Berg der Insel La Gomera tragen. Für alle, die solche Geschichten mögen: In dem Buch "Unterm Drachenbaum" von Horst Uden sind die schönsten Legenden der Inseln zusammengetragen.
Der Schöpfer war eigentlich schon fertig. Und César Manrique dachte: Da kann man was draus machen. Ohne Manrique wäre Lanzarote nur das, was Vulkane von sich gaben. Mit ihm ist es Kunst.
Man darf auch weniger trainiert sein, um als »Macho« auf Lanzarote Wasser zu lassen. Manrique macht Kunst bis zum Schluss. Selbst auf der Klotür hinterlässt er seine Handschrift.
Was wären die Kanarischen Inseln, wenn es den Ausnahmekünstler César Manrique aus Lanzarote nicht gegeben hatte? Sicher auch ein Ferienparadies, doch ärmer um seine schönsten Aussichtsrestaurants, ärmer um märchenhaft gestaltete Vulkanhöhlen, ärmer um avantgardistische Hotels und Badelandschaften, ärmer um Hunderte von Skulpturen und riesige Mobiles, vor allem aber ärmer um manch wunderbare Facette der Vision einer Symbiose von Mensch und Natur, einer Symbiose von respektvollem Tourismus, seriösem Geschäft und intakter Umwelt.
Von »glückselig« auf den Hund gekommen
Ob Kanarische Inseln soviel bedeutet wie Hundeinseln, an dieser Frage nagen die Historiker so ausdauernd wie die besagten kanarischen Hunde am Knochen. Der Name könnte tatsächlich von Canis, dem lateinischen Wort für Hund kommen. So berichtete schon der römisch-mauretanische König Iuba, dass eine der seinem Reich vorgelagerten Inseln von besonders großen Hunden bevölkert sei. Bis zum 15. Jahrhundert hatten die Inseln jedoch einen viel poetischeren Namen. Insule Fortunate, die Glückseligen Inseln. Später setzte sich für die Fortunaten so nach und nach die etwas trockenere Bezeichnung Kanarische Inseln durch. Ausgelöst wurde das Ende der Poesie durch eine Bulle von Papst Benedikt, dem Achten, jenes Dokument aus dem Jahre 1403, mit dem er Jean de Béthancourt und Gadifer de la Salle beauftragte, die »Hundeinseln« zu christianisieren. Oder bezog sich der Papst mit dem Wort Insulas Canarie auf Berber aus dem Hohen Altlas, die in der Tat den Namen Canarios tragen? Schließlich sollen es Berber gewesen sein, die dereinst die Inseln besiedelten, und schließlich sollten Menschen bekehrt werden und keine Hunde. Sei es wie es sei, auf Gran Canaria sind die Vierbeiner beliebte Denkmaltiere; zwei von ihnen springen sogar im Inselwappen an einer Palme hoch. Auf den anderen Inseln muss der Hund sich indes mit seiner üblichen Rolle begnügen: Straßenköter oder angepasstes Familienmitglied. Ach so, der Kanarienvogel; er ist tatsächlich auf den Kanarischen Inseln heimisch, hat mit der Namensgebung aber nichts zu tun.
Gomera - irgendwie Olsen-Island
Fred Olsen, eine nordische Karriere im Atlantik. So manch eine/r wird die riesigen weiß-gelben Schiffe mit der blauen Aufschrift Fred Olsen gesehen und sich gefragt haben: Geht's denn hier zum Nordpol? Fred Olsen ist ja nun gar kein spanischer Name und doch eine der beiden wichtigsten Schiffsgesellschaften für den Verkehr zwischen den Kanarischen Inseln. Und das kam so: Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich der Norweger Thomas Olsen so sehr in die Insel La Gomera verliebt, dass er sich dort regelrecht einkaufte. Schon bald teilte sich die Olsen-Dynastie fast die ganze Insel mit drei oder vier traditionellen Großgrundbesitzern. Sohn Fred beglückte die Kanaren mit einer Schiffahrtslinie, die lange Zeit ganz unauffällig Ferry Gomera hieß, baute in Playa Santiago auf La Gomera das Luxus Hotel Jardin Tecina, einen Golfplatz, Touristenlokale und vieles mehr. Der Inselpatriarch aus dem hohen Norden ging dabei immer sehr pressescheu und diskret vor - keine Interviews, keine Publicity. Dabei ist Fred Olsen mittlerweile einer der größten Arbeitgeber Gomeras. In der Hauptstadt San Sebastian hat man ihm sogar eine Straße gewidmet, den Paseo Fred Olsen vom Hafen in die Stadt. Spiegel online indes titulierte die Norwegische Reederfamilie etwas weniger respektvoll »die Olsen Bande«.
Bananeninseln ja, Planet der Affen dennoch nein
Wurde der Planet der Affen nun auf den Lavafeldern im Nationalpark Teide auf Teneriffa oder in den Feuerbergen auf Lanzarote gedreht? Welches Reiseleiter-Latein stimmt? Weder das eine noch das andere; die Affenplanet-Macher fanden ihre außerirdische Szenerie in den Südstaaten der USA (in Utah, in Kalifornien und in Arizona). Richtig ist allerdings, dass die Kanarischen Inseln sehr beliebte Film-Locations sind, besonders für Fantasy-Streifen; allein in Teneriffa werden pro Jahr etwa hundert Filme gedreht, vom Werbespot bis zur Hollywoodproduktion. Die jüngsten Beispiele sind der Kampf der Titanen von Louis Leterrier (Teneriffa 2010) und Szenen aus Zerrissene Umarmungen des spanischen Starregisseurs Pedro Almodóvar (Lanzarote 2009).
Es gibt sieben kanarische (Haupt) Inseln; kleinere Inseln wie La Graciosa bei Lanzarote oder die Isla de Lohns bei Fuerteventura werden zumeist einfach nicht mitgezählt. Ja, und dann gibt es noch das sagenhafte San Borondón, die achte kanarische Insel. Alten Dokumenten zufolge muss sie irgendwo in der Nahe von La Gomera gelegen haben. Dann ist die Insel vielleicht untergegangen, ähnlich wie das sagenhafte Atlantis. Oder San Borondón hat nie existiert, so ganz genau weiß das niemand. Ziemlich sicher ist man sich allerdings, dass die Kanarischen Inseln nicht die Reste von Atlantis sind, obwohl auch das in alten Dokumenten gestanden hat.
Sehr real ist indes die Geschichte vom Transrapid auf Teneriffa. Es gibt Pläne, den bis zu 500 Kilometer schnellen Magnetschwebezug über die Autobahn von Puerto de la Cruz nach Playa de las Americas zu legen. Ein Hirngespinst. Nein, technisch ist das möglich; der Transrapid würde weniger kosten als eine neue Eisenbahnlinie, die man dringend braucht, um die völlig überfüllte Autobahn zu entlasten. Seine Ökobilanz wäre gut, und eine Touristenattraktion wäre eine um den Vulkan rasende Magnetschwebebahn wohl auch. Fragt sich nur, was Guayote, der Feuerteufel im Teide, dazu sagen wird.
Auch die UNESCO hat die Kanarischen Inseln für sich entdeckt und drei besonders herausragende Orte zum Welterbe erhoben: Im Jahre 1986 die verwunschenen Wälder des Nationalparks Garajonay auf La Gomera, im Jahre 1999 La Laguna auf Teneriffa, die "Mutter" aller spanischen Kolonialstädte in Lateinamerika; und im Jahre 2007 kam Teneriffa noch einmal dran, mit dem Teide und der einzigartigen Mondlandschaft, die den höchsten Berg Spaniens umgibt.
Bilder und Text: Daniel A. Kempken; Redaktion: Peter Kensok
Daniel A. Kempken lebt in Berlin und hat seine wichtigsten Beobachtungen zu den Inseln des Ewigen Frühlings in seinem Buch »Schlaglichter Kanarische Inseln« mit zahlreichen Reisetipps zusammengefasst. Sein Beitrag ist ein Kapitel aus seinem Buch, das Globalscout gerne hier wiedergibt. Eine Besprechung seines Kanaren-Buchs gibt es hier.