- Indianer, Bären und Vulkane
Viele junge Journalisten würden gerne über die große, weite Welt schreiben. Ole Helmhausen (* 1958) tut es. Leidenschaftlich, begeistert, immer auf der Suche nach dem besonderen Thema, der besonderen Begegnung in einem weiten Land. Der gebürtige Westfale aus Rheda-Wiedenbrück ist seit Jahrzehnten einer der am meisten gelesenen Reisejournalisten für Kanada und die USA.
Ole Helmhausen schreibt über Kanada
Warum ist gerade Kanada dein Lebensstil-Mittelpunkt geworden?
Ole Helmhausen: Es ist Kanada, weil ich hier meine jetzige Frau kennen gelernt habe. Wäre Danielle Amerikanerin gewesen, würde ich jetzt wahrscheinlich in Phönix, Los Angeles oder in New York sitzen.
Was kannst du besonders gut?
Ole Helmhausen: Ich kann mich besonders gut intuitiv auf eine Geschichte einlassen. Ich kann gut recherchieren, denn das ist im Vorfeld unheimlich wichtig. Egal ob dein Interviewpartner in Oregon den Winter in einer Höhle überlebt hat, was völlig crazy ist. Oder ob er irgendein Wirtschaftsboss in Detroit ist. Du stellst eine Beziehung her, die über das Geschäftliche hinaus geht. Und je mehr du deine Gespräche vorbereitest, um so besser werden sie.
Wie gehst du damit um, für deinen eher einzelgängerischen Job vergleichsweise wenig Anerkennung zu bekommen?
Ole Helmhausen: Feedback wäre für mich das bessere Wort. Und wenn es nur eine Zeile sein sollte, die mir zeigt, dass sich jemand irgendwie mit meiner Arbeit auseinandergesetzt und sie gelesen hat. Oft ist es leider anders: Du schreibst ein Buch und investierst darin nicht nur acht Stunden pro Tag, sondern richtig Lebenszeit. Du denkst weiter über dein Buch nach, wenn der Computer längst aus ist und nimmst deine Fragen mit ins Bett. Und am nächsten Morgen sind sie immer noch da.
Ein bisschen mehr Feedback darf's sein
Für einen 40.000-Zeichen-Report habe ich einmal drei Wochen täglich vorrecherchiert und Interviewpartner sondiert. Das ist hier nicht einfach, dies ist schließlich Kanada, und manchmal liegen zwischen den Gesprächspartnern 5.000 Kilometer und du kannst bis zuletzt nicht genau einschätzen, ob sich die Begegnung lohnt. Du gehst also viele Risiken ein, verbringst dort eine Woche, schleppst einen Fotografen mit. Und alles muss organisiert werden.
Dann bist du wieder zu Hause und schreibst, arbeitest dich ein in Vulkanologie, Geologie, in Seismologie und wie diese ganzen Logien heißen, um dieses Wissenschaftsdrama zu gestalten. Dann schickst du die Geschichte weg. Sie ist schließlich bestellt und vorbezahlt; du denkst dir, du hast noch nie eine so tolle Geschichte geschrieben. Und dann hörst du fast vier Monate lang nichts. Das absolute Minimum wäre: Herr Helmhausen, wir haben ihre Geschichte erhalten. Wir melden uns später wieder, da es im Moment nicht geht. Und selbst das ist oft nicht so.
Ein guter Journalist muss immer wieder auch vor Ort sein.
Bei dir kommt jedoch hinzu, dass du dir deine Geschichten auch körperlich erarbeitest …
Ole Helmhausen: Ein guter Journalist muss raus und körperlich zumindest so fit sein, dass ihn seine zwei Beine zum nächsten Termin tragen. Da ich meine Vulkan-Geschichte für ein Wissenschaftsmagazin nicht vergeigen wollte, habe ich klar auch körperlich trainiert: Ich wollte sicher sein, dass ich da hoch komme. Das gleiche gilt für Expeditionsgeschichten wie die über das Kanu-Paddeln oder Wanderungen durch Gegenden, in denen Grizzlys leben. Ich kann mir nicht erlauben, auf halbem Weg zu kapitulieren, wenn mir meine Verlage und Partner solche anspruchsvollen Reisen ermöglichen.
Was waren deine nachhaltigsten Begegnungen in Kanada?
Ole Helmhausen: Ein Indianer Anfang dreißig von den Ojibwa auf Manitoban Island hat mich sehr beeindruckt. Er versuchte seine Leute über den Tourismus aus den Reservaten der Dritten Welt in die Erste Welt hoch zu hieven, schuf Arbeitsplätze und machte sie stolz auf ihre Stammeskultur. Gleichzeitig wollte er sein Volk auf die Touristen von auswärts vorbereiten, die wissen möchten, wie die Indianer damals und heute gelebt haben. Er war ehrlich bemüht, hoch intelligent und wortgewandt.
Dann haben mich immer wieder Leute bewegt, die ihr Leben im Alter von 50 oder mehr umdrehten, um etwas zu tun, das mit ihrem vorherigen Leben überhaupt nichts gemeinsam hat. Mich beeindruckt ihre Kompromisslosigkeit, ihr Mut, mit dem sie Berge versetzen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie das eigentlich nicht dürften, weil sie doch schon älter sind oder das Geld nicht haben. Solche Leute gibt es in Nordamerika weit mehr als in Deutschland mit seinen engen Strukturen. Dort denkt man in festen Bahnen, hat seinen Job vielleicht bis 60 und geht dann in Rente. Das Leben hört hier mit 60 nicht auf.
Bild und Text: Peter Kensok